Zwischen Kühlschrank, Kacheln und Kontaktarmut – Studienstart in Coronazeiten

Karin Distler · 

So ein Studienbeginn ist bekanntlich eine aufregende Sache. Wenn dann auch noch eine globale Pandemie hinzukommt, ist das Chaos perfekt!

Oktober 2017: Ganze Heerscharen von hoffnungsvollen jungen Studienanfänger:innen strömen auf den Campus der Universität, angezogen vom Duft von Freiheit und Erfolg. Illustre Grüppchen tingeln über den Campus, plaudern oder verirren sich auf der Suche nach dem richtigen Hörsaal. Zarte zwischenmenschliche Annäherungen sind zu beobachten, die nicht selten zu mehr oder weniger langanhaltenden Freundschaften oder sogar einer Liebelei führen. Man könnte mit Fug und Recht sagen, hier tun sich ganz neue Welten auf. Inmitten dieses Strudels an Eindrücken und Gesichtern fand auch ich mich wieder, als ich frohen Mutes in mein Studium startete.

Drei Jahre später war ich zur Überzeugung gelangt, dass ich jenes Studium durchaus sehr unerquicklich fand und versuchte erneut mein Glück. Selbe Universität, anderes Fach. Doch es hatte sich noch mehr getan in diesen Jahren: Die Pandemie hatte auch das beschauliche Saarland eingeholt.

So kam es, dass dieser zweite Studienbeginn gänzlich anders verlaufen sollte als der erste. Statt Einführungsveranstaltungen, bei denen sich die Studierenden förmlich in den Hörsälen stapeln, gab es nun welche mit Hygienekonzept, sodass ich mich fein säuberlich mit zwei Metern Abstand nach Nachnamen in die Sitzreihen einsortiert sah. Statt feuchtfröhlicher Kneipentour vor Ort wurde eine solche virtuell per Videokonferenz angeboten. Anstoßen unter dem trübseligen Blick der Laptopkamera, sozusagen. Mehr als oberflächliche Kontakte zu knüpfen fiel unter diesen Umständen doch deutlich schwerer als gewohnt.

Mit dem Vorlesungsbeginn offenbarte sich das ganze Ausmaß der Veränderungen. Ich starrte fortan von morgens bis abends auf kleine Kacheln eines Konferenzprogramms. Dazwischen schlich ich klammheimlich zum Kühlschrank oder zur Kaffeemaschine. Nicht selten sah man mich auch geistesabwesend auf dem heimischen Sofa liegen und „die Augen entspannen“. Oder so ähnlich. Zugegeben: Manchmal fiel es mir schwer, konzentriert bei der Sache zu bleiben. Manchmal fiel es auch meiner Internetverbindung schwer, unter dem plötzlich auf ihr lastenden Druck nicht zusammenzubrechen. Wir hatten beide so unsere Probleme.

Eine Sache jedoch wirkte sich durchaus positiv aus: Nachdem die Anwesenheit meiner Person auf dem Campus nun nicht mehr gefragt war, fiel auch die lästige Anfahrt weg. Die kostete mich gerne mal ein Stündchen und unzählige Atemübungen, um nicht einer Furie gleich durch den Zug zu toben. Wer im ländlichen Raum mit Zug und Bus unterwegs ist, wird meine Nöte nachvollziehen können. Nicht selten kam ich bereits völlig abgespannt und viel zu spät in die Vorlesung gerauscht. Nun jedoch begann jeder noch so unerfreuliche Tag mit einem ausgedehnten Morgenkaffee und dem Gedanken, wie schön so ein Extrastündchen Schlaf doch sein kann. Himmlisch!

Da ich auch beim Zusammenstellen meines Stundenplans keine Rücksicht mehr auf Leerlauf zwischen den Veranstaltungen, Zugverbindungen und ähnliche Widrigkeiten nehmen musste, konnte ich aus den Vollen schöpfen und wirklich alles belegen, was mich interessiert. Ein ganz schön befreiendes Gefühl.

Allerdings hatte sich auch nach Ablauf eines ganzen Semesters nichts an der unerfreulichen Situation geändert, dass mir meine Kommiliton:innen gänzlich fremd waren. Zwar habe ich bei der ein oder anderen Veranstaltung in einer kleinen Kachel eine Studierendenbude samt Bewohner:in erblickt, das ersetzt jedoch in meinen Augen nicht den persönlichen Eindruck von einer Person. Auch vermisse ich mal wieder eine gepflegte Diskussion im Seminarraum, einen spontanen Mensabesuch mit der Sitznachbarin oder eine sonnige Freistunde auf der Campuswiese. Die Lehre mag sich noch vorübergehend ins Netz verlagern lassen, das Lebensgefühl, welches mit der Studienzeit einhergeht, aber keineswegs.